Datum
22.10.2019
Wie poetsisiert man einen Agendatext?
Lehrlinge des Unternehmens Collini brechen gemeinsam mit der Berliner Lyrikerin Hannah Schraven Textoberflächen auf und hebt dabei poetische Schätze.
Kategorie
Projekt
Schlagworte

Keine fremde Schicht umgewandelt – entwickelt
wächst zum Untergrund
Schichten isolieren Boten 
Florian Mattle | Lehrling des Unternehmens Collini | Oktober 2019



Es ist erstaunlich, was die Lehrlinge des Hohenemser Unternehmens Collini mit der simplen Methode des Ausschwärzens von Textteilen gleich auf den ersten Blick Wurf aus einem kurzen Website-Text ihres eigenen Lehrunternehmens entstehen lassen. In wenigen Minuten verwandeln sie sachliche technische Texte, die die Oberflächenveredlung thematisieren, in kleine poetische Einheiten. Einheiten, die plötzlich ungeahnte Bilder und Bedeutungsebenen öffnen. Fast scheint es, als seien die Lehrlinge selbst ein wenig erstaunt, wohin das ungewöhnliche Sprachexperiment führt, das sie heute wagen. 

Braucht noch jemand die Wörter, die hier liegen?

Angeregt dazu hat sie die Lyrikerin Hannah Schraven aus Berlin. Sie selbst arbeitet oft mit dieser Methode, die auch als black out poetry bekannt ist. Hannah Schraven nimmt dafür Twitterposts von der Deutschen Bundeswehr über wetter.online bis hin zu ‚Fridays for Future‘, setzt den schwarzen Stift an und lässt so aus den Tweets entlarvende Gegenperspektiven, erstaunliche Erweiterungen und damit unterhaltsame Lyrik entstehen. In der Bücherei Hohenems verwandelt sie heute gemeinsam mit den Lehrlingen den nüchternen Text der UN-Agenda 2030 in Agendalyrik. Für diese Idee werden, nach einer intensiven inhatlichen Auseinandersetzung unter der Leitung von Eva Brunner und Karen Knipp-Rentrop von der Hilfsorganisation Care, Textteile der Agenda geschwärzt oder zerschnitten und in Collagen neu zusammengesetzt. Ausgeschnittene Worte, die übrig bleiben und herumliegen, werden kurzerhand zu neuen Kleinstgedichten verarbeitet. Das ungezwungene Spiel mit der Sprache jenseits aller Regeln der Orthographie lädt zu einem lustvollen Schreiberlebnis ein und öffnet Ebenen, um die Agendatexte nicht nur aus ganz neuer Perspektive zu lesen, sondern auch, um sie direkt kommentieren zu können.

My Future – Who Cares? 
Die Agenda umfasst 17 Ziele, wie z.B. die Bekämpfung der Armut und des Hungers, die Öffnung des Zugangs zu hochwertiger Bildung oder auch die Geschlechtergleichstellung. Gemeinsam haben sich die UN-Mitgliedstaaten darauf geeinigt, die Ziele bis 2030 intensiv für die Menschen, den Planeten und den Wohlstand zu verfolgen. Um die junge Generation auf lebendige Weise mit der Agenda 2030 und ihren zentralen aktuellen Themen in die Auseinandersetzung zu bringen, veranstalteten das Junge Landestheater des Vorarlberger Landestheaters und die Hilfsorganisation Care im Februar 2020 zum ersten Mal die Zukunftskonferenz ‚My Future – Who Cares‘ in Bregenz. Zur Vorbereitung dafür fanden in ganz Vorarlberg über 30 Workshops mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie zahlreichen Kooperationspartner_innen statt. Im Rahmen dieser Zukunftskonferenz präsentierten die Lehrlinge ihre Agendalyrik in Form eine Großformativen Lyriknstallation im Landestheater Bregenz.


Hannah Schraven hat Literarisches Schreiben an der Universität Hildesheim studiert und 2018 den Drei Länder Schreibwettbewerb für Newcomer gewonnen. Sie arbeitet derzeit an ihrem ersten Lyrikband. Neben dem Schreiben ist sie als Journalistin bei zeitonline tätig.

Danke an Hannah Schraven, das Unternehmen Collini und an die Bücherei Hohenems für die schöne und so spannende Zusammenarbeit!