writers:class: Ich hab einen krassen Wortschatz aufgebaut!
Vier Jahre writers:class an der Mittelschule Hasenfeld Lustenau gehen zu Ende
Die Schüler:innen der Mittelschule Hasenfeld Lustenau sind ab der ersten Klasse einmal im Monat für zwei Stunden in fantasievolle Welten, kreative Schreibprozesse und neue Sprachwelten abgetaucht. Den Beginn machte der Autor Muhammet Ali Baş, und durch die Corona-Pandemie wurde ihm der Zugang zur Klasse in den ersten Monaten sogar noch verwehrt. Über Videoschaltungen, Videobotschaften und schließlich einer Ausnahmeregelung baute er wortwörtlich Verbindungen zu den Schüler:innen auf und ließ sie an seinen Literatursnacks teilhaben. Seine große Errungenschaft waren die „Wortzufälle“ – durch Zufall entstandene Wörter, die als vermeintliche Fehler getarnt neue gedankliche und sprachliche Wege ebnen, wenn man den Rotstift mal beiseitelegt. So entstand das Wort „Erinnahrung“, das bis heute viel mit uns und allen Beteiligten der writers:class macht und unser Büro als kleine Postkarte schmückt.
Im zweiten Jahr ging es nach draußen in die Natur. Mit Autor und Waldpädagoge Jürgen Thomas Ernst wurden Erkundungsspaziergänge durch Lustenau mit Poesie bereichert und ruhige Stellen im Wald als kreative, sensorische und inspirierende Orte erlebt. Mit Stift und Papier in der Natur zu sitzen und niederzuschreiben, was einem durch den Kopf geht, erscheint sowohl banal als auch genial. Besonders für junge Schüler:innen, die es gewohnt sind, Anforderungen zu erfüllen und Leistungen zu erbringen, ist diese Erfahrung von großem Wert.
So sind auch die wunderbaren Schleichwege entstanden, die mit einer Stadtkarte in Lustenau erlebbar sind und einfache Gehwege plötzlich in ein neues Licht rücken. Der Schuss-nach-hinten-Weg oder der Kinderpolizeyweg sind hier begehbar, und wenn man dem digitalen Weg folgt, indem man den QR-Code scannt, sind die dazugehörenden Geschichten erlebbar.
Autorin, Grafikerin und Poetry Slammerin Katy Bayer brachte Sprache in Bewegung, indem sie Zeitungsschnipsel für neue Texte mitbrachte und die deutsche Grammatik voller Selbstbewusstsein über Bord warf. So entstanden Knopfgeschichten, und mit dem Ritual des automatischen Schreibens erlebten die Schüler:innen eine nachhaltige Bereicherung für Kopf und Herz. Im W*ORT Lustenau fand dann eine Abschlussveranstaltung vor Publikum statt, bei der die Schüler:innen für ihre eigenen Geschichten mit donnerndem Applaus belohnt wurden.
Im vierten und letzten Jahr führte Motion Designerin Simone Knecht die Klasse ins Visual Storytelling ein. Sie zeigte auf bunte und vielseitige Weise, dass die Entwicklung eigener Comics, Daumenkinos und schließlich eigener Stop-Motion-Filme genauso viel mit Storytelling zu tun hat wie Mikrogeschichten und poetische Texte. Hier bekamen die Schüler:innen die Möglichkeit im bildlichen Erzählen über sich hinauszuwachsen.
Die Bandbreite der gesammelten Erfahrungen der writers:class ist sehr groß. So besuchte Theaterpädagoge Markus Riedmann die Klasse, um mit ihnen die Kunst des Vortrags zu erleben. Wie wird dein Text vor Publikum lebendig? „Mit eurer Stimme bekommt ihr die ein oder andere Notlüge hin“, erklärt der Theatercoach. „Euer Körper aber kann nicht lügen!“
„Großartig war aus meiner Sicht auch die Teilnahme an Gauls Mundart-Hunderter“, berichtete Elke, deren Sohn vier Jahre lang die writers:class besuchte. „Ich finde, damit wurde ein Stück Sprachgeschichte konserviert, denn Sprache wandelt sich ständig. Die writers:class-Mundart-Hunderter-Geschichten zeigen die Jugend-Mundart der 2020er-Jahre und die Einflüsse des gesellschaftlichen Wandels, auch im Hinblick auf Migration und Integration.“ Die Klasse hatte beim Dialektwettbewerb des Dornbirner Buch- und Musikverlags unartproduktion gewonnen. „Es sind viele mehrsprachige Texte entstanden, die sehr viel Persönliches der Kinder widerspiegelten. Die Texte haben mich berührt. Die Teilnahme am Wettbewerb war allein wegen Gauls Besuch samt Akkordeon in unserer Klasse der krönende Abschluss“, erzählt Klassenvorständin Birgit Schwarzmann-Sohm.
Die writers:class ließ die Schüler:innen nicht nur ihre eigene Sprachkompetenz selbst und ungezwungen entwickeln, sondern förderte auch das Selbstbewusstsein und die Freude am Geschichten schreiben, beziehungsweise erzählen. „Die writers:class war wirklich eins meiner Lieblingssachen der vier Jahre“, findet Kristian.
Seit 2017 bringt das Literaturhaus Vorarlberg mit der writers:class Autor:innen und Expert:innen an Schulen in Vorarlberg, um das Selbstbewusstsein, die Lese- und Schreibkompetenz sowie die Lust am Schreiben zu fördern. Über vier Jahre hinweg erleben die Schüler:innen den Deutschunterricht auf eine völlig neue, inspirierende Weise und entdecken die Freude am kreativen Ausdruck.
Vielen Dank an unsere Kooperationspartnerin Gabi Hampson vom W*ORT Lustenau, an Birgit Schwarzmann-Sohm und Helga Riedmann von der Mittelschule Hasenfeld Lustenau, den Autor:innen Muhammet Ali Baş, Jürgen Thomas Ernst, Katy Bayer und Motion Designerin Simone Knecht (und Sarah Hämmerle), an die Marktgemeinde Lustenau für ihre finanzielle Unterstützung und natürlich an alle Schüler:innen der Klasse 1-4c!