Datum
10.11.2022
Kategorie
writers:class
Schlagworte
©Frauke Kühn

Feine Nebeltröpfchen hängen in der Luft, buntes Laub liegt verstreut auf den Wegen, der Himmel zeigt sich grau und dunstig. Es ist ein früher Morgen mitten im November und der Ort, an dem wir gemeinsam mit der writers:class der HAK Lustenau sind, könnte nicht skurriler wirken. Der Bademeister sieht uns kommen. Bestens gelaunt wünscht er uns einen guten Morgen und sperrt uns mit einer einladenden Geste das große Tor zum menschenleeren Parkbad in Lustenau auf. Genau: die writers:class schreibt heute im öffentlichen Raum und hat sich dafür einen für diese Jahreszeit sehr ungewöhnlichen Ort ausgesucht. 

Es ist still im Parkbad. Kein Kindergeschrei, keine Geräusche von platschendem Wasser oder federnden Sprungbrettern. Es liegt auch kein Pommesgeruch in der Luft und wir spüren keine wasserfaltige Haut an unseren Händen. Und doch hallen alle diese Eindrücke wie ein schwaches Echo durch unsere Köpfe – so eng ist das Freibad selbst im Herbst mit den Sinneseindrücken aus dem Sommer verbunden.

Die Autorin Andrea Keller, die die writers:class der HAK Lustenau in diesem Jahr begleitet und gemeinsam mit den Jugendlichen einen Schwerpunkt im nature writing setzt, spürt, dass es diesen Ort jetzt neu zu entdecken gilt, obwohl fast alle Schüler:innen schon einmal hier waren. Sie lädt die Jugendlichen zu einem stillen Spaziergang ein, bei dem alle Sinne geschärft, das Freibad neu gehört, gesehen, gerochen und gefühlt werden will. 

Mit der Methode des automatischen Schreibens schafft Andrea mit feiner Hand im Anschluss die beste Brücke, die das Erleben des Raumes mit dem Schreiben verbindet. Die Regel ist einfach: sieben Minuten lang schreiben die Teenager das auf, was ihnen durch den Kopf fließt, ohne den Stift vom Blatt abzusetzen. Wenn der Anfang schwerfällt, einfach ein ‚Ich‘ schreiben, wenn der Kopf leer zu sein scheint, einfach das letzte Wort so lange wiederholen, bis das nächste Wort im Kopf aufblitzt. Intuitiv ahnen die Schüler:innen, dass das eine sehr persönliche Schreibübung werden kann und ihre erste Frage ist, ob der Text vorgelesen und geteilt werden muss. Andrea beruhigt sie: das, was hier entsteht, bleibt privat. 

Das Parkbad im Herbst erweist sich nicht nur als eindrückliche Raumerfahrung, sondern auch als reichhaltige Inspirationsquelle für das kreative Schreiben. Wir freuen uns, dass das neue Schuljahr auf so ungewöhnliche Weise für die writers:class der HAK Lustenau beginnen darf und sind gespannt darauf, wo und wie die Schüler:innen gemeinsam mit Andrea Keller der Natur noch schreibend hinter die Kulissen schauen.
©Frauke Kühn

Danke an Double Check für die finanzielle Unterstützung des Projektes, an unseren inspirierenden Lustenauer Kooperationspartner W*ORT und an die Lehrerin Nadja Naier von der HAK Lustenau, die unermüdlich organisiert, Zeiträume im Stundenplan für die writers:class öffnet und die Projektidee nicht nur trägt, sondern mit uns allen lebt.