Seek&Read: Samuels Buch – Kapitel 7
Eine Spukgeschichte für Fortgeschrittene. Nichts für schwache Nerven.
geschrieben von Irmgard Kramer. Illustration: Marek Bláha.
HINWEIS: ALTERSEMPFEHLUNG dieser Geschichte liegt bei 12 Jahren!
Herzlich willkommen bei Seek&Read – einer literarischen Schnitzeljagd durch Hohenems.
Schön, dass du uns gefunden hast. Du befindest dich auf einem kleinen Abenteuer, denn dieser Weg führt dich nicht nur durch eine schöne Landschaft, sondern auch durch eine spannende, an manchen Stellen vielleicht sogar gruselige Geschichte, geschrieben von Irmgard Kramer.
Du wirst auf diesem Weg insgesamt zehn QR-Codes finden, schau genau, denn manche sind versteckt. Solltest du zufällig über einen QR-Code gestolpert sein und du befindest dich inmitten der Geschichte, ist das kein Problem, denn hier beginnt das Abenteuer mit der Einführung und führt dich von der Villa Franziska und Iwan Rosenthal weiter in die Hohenemser Natur.
Viel Spaß bei Seek&Read,
Dein Literaturhaus Vorarlberg
Und jetzt geht es weiter…
7. Die vierte Bank auf dem Weg zur Ruine
„Mist“, fluchte Jacke und zeigte ins Tal. Schritte näherten sich von unten.
„Vielleicht ist das zur Abwechslung nur jemand, der nachts auf die Ruine joggt“, sagte Pip halbherzig. „Meine Mutter macht das auch.“ Aus der Dunkelheit schälte sich ein Mann in Strumpfhosen, Stulpenstiefeln und einer Pluderjacke. Um seine Schulter trug er – erst dachte ich, es sei eine Ukulele, aber es war – eine Laute.
„Jetzt hab ich`s!“, flüsterte Jacke und schlug sich triumphierend mit der Hand in die Faust. „Der ist aus dem Palast. Da veranstalten sie doch diese Grillgelage, mit Schweinespießen, Riesenkoteletts, Rittern und Henkern.“ Das war die Lösung. Erleichtert fielen Pip und ich uns um den Hals. Er hatte recht. Genauso sah dieser arme Ritter aus. Plötzlich waren wir glänzender Laune.
„Kannst du auf dem Ding auch was spielen?“, fragte Jacke. Der Barde hängte sich das Instrument um und begann zu zupfen.
„Von Singen hat aber keiner was gesagt.“ Jacke schlug sich entsetzt die Hände vors Gesicht, als er zu säuseln begann: „Hört ihr Leute, hört den Klang aus fernen Zeiten …“
„Kannst du auch was von den Toten Hosen?“, fragte Pip – die Toten Hosen waren damals total in. Der Sänger hob eine Augenbraue. „Der Troubadour die Laute zupft, das Herz im Leibe hupft…“ Plötzlich brach seine Stimme. Er fing an zu gurgeln und riss die Augen auf, sie quollen förmlich aus seinem Gesicht. Ich hätte mich totgelacht, wenn seine zwei Augenkugeln aus seinem Schädel gesprungen wären. Hilfesuchend griff er nach unseren Händen. Er hustete, röchelte, keuchte. Ganz schön ekelhaft. Blut sprudelte aus seinem Mund. Dann kippte er wie ein Brett vornüber. In seinem Rücken steckte ein Beil und wir applaudierten. Damit konnte er auftreten. Eine bühnenreife Show. Auf einmal amüsierten wir uns prächtig und hatten riesigen Spaß an unserem nächtlichen Abenteuer, allerdings nur so lange, bis wir Samuel auf der Bank sitzen sahen.
Sein bleiches Gesicht erkannten wir sogar in der Dunkelheit und seine Augen waren wie schwarze Löcher. Schlagartig verging uns das Lachen und diesmal jagte er mir wirklich Angst ein. Eine Ahnung sagte mir, dass er kein Schauspieler war. Er war echt. Das gruselte mich mehr als Vampirzähne und ein Beil im Rücken. Wäre Fée nicht in meiner Nähe gewesen, wäre ich davongerannt und hätte vielleicht sogar geweint. Dieser Junge … er rührte etwas in mir an. Ich konnte spüren, dass er etwas Schreckliches erlebt hatte. Aber konnten wir ihm trauen? Würde er uns etwas tun? Würde er uns anschnauzen, weil wir gelacht hatten?
Aber stattdessen wartete er, bis wir bei ihm waren und sagte dann leise: „Ihr habt es bald geschafft. Nur noch eine Bank. Die ist neu gestrichen. Am besten ihr legt eure Schlafsäcke zur Feuerstelle. Dort seid ihr am sichersten. Ich pass auf, dass euch keiner etwas tut.“
Pip, Jacke und ich starrten ihn an.
„Und du?“, fragte Fée. „Wo schläfst du?“
„Schlafen?“ Er lächelte, aber es war kein frohes Lächeln. Dann stand er auf und ging lautlos weiter.
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