Datum
24.06.2005
Kategorie
Projekt, Seek&Read, Uncategorized

Eine Spukgeschichte für Fortgeschrittene. Nichts für schwache Nerven.

geschrieben von Irmgard Kramer. Illustration: Marek Bláha.

HINWEIS: ALTERSEMPFEHLUNG dieser Geschichte liegt bei 12 Jahren!

Herzlich willkommen bei Seek&Read – einer literarischen Schnitzeljagd durch Hohenems.
Schön, dass du uns gefunden hast. Du befindest dich auf einem kleinen Abenteuer, denn dieser Weg führt dich nicht nur durch eine schöne Landschaft, sondern auch durch eine spannende, an manchen Stellen vielleicht sogar gruselige Geschichte, geschrieben von Irmgard Kramer.
Du wirst auf diesem Weg insgesamt zehn QR-Codes finden, schau genau, denn manche sind versteckt. Solltest du zufällig über einen QR-Code gestolpert sein und du befindest dich inmitten der Geschichte, ist das kein Problem, denn hier beginnt das Abenteuer mit der Einführung und hier findest du das erste Kapitel, das in der Villa Franziska und Iwan Rosenthal stattfindet.

Viel Spaß bei Seek&Read,

Dein Literaturhaus Vorarlberg

Und jetzt geht es weiter…

2. Am Spielplatz neben dem Stadtfriedhof  

Natürlich nahm Fée die Herausforderung an. Und natürlich ließen wir sie nicht allein gehen. Der seltsame Junge brauchte doch nur einen Vorwand, um Fée in den Wald zu locken, damit er dann, weiß der Geier was, alles mit ihr anstellen konnte. Aber er hatte die Rechnung ohne uns gemacht. 

Zuhause erzählten wir, dass uns Fée auf eine Gartenparty mit Übernachtung in ihr Feenreich eingeladen hatte, und weil ihre Eltern stinkreich und exotisch waren, trauten sich unsere Eltern nicht dort anzurufen. So zogen wir also mit Schlafsäcken bepackt los zum Spielplatz. Pip hatte Spielkarten mitgebracht, Jacke jede Menge Proviant. Fée turnte auf dem Klettergestell der Schaukel. Ich hängte mich verkehrt neben sie. Wir schauten zu, wie die Sonne hinter den Häusern verschwand und der Himmel die Farbe von Pfirsichen bekam.  

„Ich glaube nicht, dass der Typ kommt“, sagte Jacke, riss eine Packung Prinzenrolle auf und steckte mir einen Keks in den Mund. Fée fand es spektakulär, dass man kopfüber hängen und aufwärts schlucken konnte. Sie ließ sich ebenfalls hängen. Dabei rutschte ihr das T-Shirt über Bauchnabel, Kinn und Nase. Wie Fledermäuse hingen wir an dem Balken, ließen uns von Jacke füttern und schluckten „nach oben“. Dann kam Pip auf die bescheuerte Idee, in unseren Bauchnabeln herumzubohren, bis wir nicht mehr konnten und lachend vom Balken plumpsten. Wir kletterten die Rutschbahn von allen Seiten hoch und führten uns auch sonst ziemlich dämlich auf. Als uns langweilig wurde, trollten wir uns auf den Friedhof und machten uns einen Spaß daraus, Namen auf Grabsteinen zu lesen: Mina Mathis, Rupert Nachbauer, Luise Nachbauer.  

„Hier werde ich auch einmal verrotten“, sagte Pip feierlich, faltete die Hände und machte ein heiliges Gesicht.  

„Ich nicht“, sagte Fée. „Ich lass mich verbrennen.“  

„Bist du verrückt?“, rief Jacke. „Das ist doch voll heiß.“ Er konnte manchmal wirklich kindisch sein. Danach wollten wir herausfinden, wie viele tote Jäger hier lagen, aber in dem Augenblick, als die Nacht den Tag verschluckte, saß plötzlich Samuel auf einem Grabstein, baumelte mit seinen dreckigen Füßen und grinste uns an. Wo war der so schnell hergekommen? Das verfluchte Buch hielt er fest.  

„Wir sind bereit, eine Nacht auf der Burgruine zu verbringen“, sagte Fée. „Aber dann kriegen wir das Buch. Deal?“  

„Deal!“, sagte Samuel, sprang vom Grab, drehte uns den Rücken zu und machte sich mit großen Schritten davon. „Ich warte am Parkplatz hinter dem Palast auf euch.“  

Bis wir unsere Sachen zusammengekramt hatten, war er schon weg. Schnell wurde es dunkel über Hohenems. Kein Mond war am Himmel zu sehen und der Verkehr verstummte. Aus dem Wald rief ein Kauz und wir waren – noch – guter Dinge.

Falls du immer noch keine Angst hast, findest du den nächsten QR-Code am Parkplatz hinter dem Palast.